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Festwochenende "100 Jahre Dreifaltigkeitskirche"

Ein rundum gelungenes Festwochenende war es, unser Highlight im Jubiläumsjahr 2016. Soviel steht fest, und man konnte es von vielen Menschen aus ganz unterschiedlichen Zusammenhängen im Ort hören. Noch Wochen später.
Daran hatten neben den Helferinnen und Helfern aus unserer Gemeinde auch die vielen Anteil, die aus den Vereinen St. Ilgens mitbeteiligt waren, durch ihre Teilnahme am Festumzug oder sonstige personelle oder Sach-Hilfen. Ihnen allen vorab unseren herzlichen Dank.

Samstag, 18. Juni

Zurück zum Festwochenende. Zu Beginn, beim Festumzug, waren wir natürlich alle gespannt. Erstmal wegen der unklaren Wetterlage. Beim Weg zum Aufstellungsort am Bahnhof fielen noch ein paar Tröpfchen und dunkel drohten die Wolken. Doch die Spannung löste sich bald, und immer mehr der verschiedenen am Zug beteiligten Gruppen tauchten auf, meistenteils gehüllt in Gewänder der Zeit vor 100 Jahren. Da gab es unter anderem Zigarrendreherinnen, Waschweiber und Bauern zu bewundern, einen Zug Kindergartenkinder in blütenweißen Hemdchen paarweise am Riemen, Gottesdienstbesucher/innen, stolze Besitzer/innen eines Fahrrads, darunter eine Draisine, die Jugendfeuerwehr mit einer alten, pumpenbetriebenen Spritze und Handwerker der unterschiedlichsten Berufszweige.

Und so wurde es ein ganz besonderer Zug, der sich da formierte, und dessen Weg durch die Bahnhofstraße, über die Theodor-Heuss-Straße und zur Dreifaltigkeitskirche deutlich von mehr Menschen gesäumt wurde, als erwartet. Und überall wurden wir fröhlich empfangen. Dank der Absicherungsmaßnahmen durch die Feuerwehr ging das ohne größere Verkehrsprobleme über die Bühne.

Am Ende ergoss sich der Zug auf den Festplatz neben der Kirche, der damit beinahe an die Grenzen seiner Kapazität kam. Ein wenig gingen dadurch der Empfang durch den Posaunenchor und leider auch das Spiel der Kindergartenkinder unter, die mit Liedern die Handwerkszünfte der damaligen Zeit auferstehen ließen.

Während die einen Kaffee und Kuchen genossen, die anderen sich schon handfesterem zeitgenössischem Essen zuwandten, gab es Spieleangebote für die Kinder in und vor dem Zelt unter der Linde - u.a. einen Kreisel, den man mit der Peitsche antreiben musste, Bosseln, Tauziehen, Stelzenlauf usw.

Währenddessen wurden die verschiedenen Berufsgruppen gleich neben dem Festzelt durch Frau Gabi Herb präsentiert, die sich wie gewohnt umfassend auf diese Aufgabe vorbereitet hatte und die Berufe mit mancher Anekdote würzte.

Gleich nebenan entstanden Schwarz-Weiß-Aufnahmen, die mit einer Zackenschere beschnitten wurden, so dass die Abgelichteten in ihren Retro-Gewändern auch auf den Photos ein authentisches Bild abgaben. Am Eingang zum Festplatz lockte die „Reitschul“ nicht nur die ganz Jungen, und die Halbwüchsigen Jungen und Alten konnten ihre überschüssigen Kräfte an einem Hau-den-Lukas loswerden.

Die Kapriolen des Wetters blieben uns nicht ganz erspart, aber als der schon länger erwartete Regenguss (s.o.) dann am späteren Nachmittag herunterkam, in einer Programmpause, war's nicht weiter tragisch. Man drängte sich ein wenig im Zelt, wo die zusätzliche Nähe den Gemütlichkeitsfaktor steigerte, oder unter dem Vordach der Getränke-/Essensausgabe. Und bis zum Abendprogramm kehrten die Gäste wieder auf den Festplatz zurück.

Zwischenzeitlich hatten uns die Kinderakrobaten vom Zirkus „piccobello“ aus Hockenheim mit Jonglage und kleinen akrobatischen Kunststückchen unterhalten.

Von den Schwierigkeiten eines aus Berlin stammenden Jungen mit dem hiesigen „Kuapälza Dialeggt“ und seinen ersten sprachlichen Gehversuchen berichtete uns dann in seiner launisch-humorigen Art Arnim Töpel, mittlerweile ein „Maschderbabbler“, dem als „Roigeplaggter“ nur wenige „Hiesige“ das Wasser reichen können. Die idiomatisch und regional unterschiedliche Verwendung von „bleed“ und „dabbisch“ war eines seiner Themen, und zu Ende seiner Vorstellung verriet er uns schließlich, dass er - in der Evangelischen Jugend in Walldorf groß geworden - die besondere Integrationsleistung der Kirchengemeinden schätze. Abschließend summte er mit seinem Publikum darum „Ins Wasser fällt ein Stein“.
Nach viel Applaus und einer weiteren Zugabe musste das enthusiasmierte Publikum ihn schließlich gehen lasen.

Im Anschluss ging es mit Gesang weiter. Bettina Grimm führte ihr Publikum durch die Welt der Chansons und Lieder v.a. der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Viele der Zuhörerinnen und Zuhörer kannten sich musikalisch bestens aus und so konnte Bettina Grimm die Zuschauer/innen immer wieder dazu animieren, sie auf ihrem musikalischen Trip durch das Jahrhundert gesanglich zu verstärken.

So klang (!) denn der Abend stimmungsvoll und vergnüglich aus, bis der Jubiläumssamstag dann endgültig beschlossen wurde durch einen Höhepunkt visueller Art. Bereits parallel zu dem Vortrag von Bettina Grimm gab es einen kleinen Vorgeschmack auf das Ausstehende, unter dem die Wenigsten sich etwas vorstellen konnten. Noch war es nicht richtig dunkel, als bereits die Wände der Dreifaltigkeitskirche, v.a. ihr Turm, in verschiedenen Farben zu leuchten begannen.

Nachdem Bettina Grimm gleichfalls nach Zugaben ihren Programmteil abgeschlossen hatte, strömten die Zuschauer/innen hinaus aus dem Zelt, und verteilten sich rund um die Kirche und auf dem Leimbachdeich, um das sehr eindrucksvolle Lichtspektakel der Lichtartisten von Pendeloque zu bewundern.
Nach anfänglich dominierenden großflächigen Farbfeldern zu Sphärenklängen à la Pink Floyd breiteten sich allmählich Muster über die Fassade aus. Wer genauer hinschaute, erkannte, dass diese Muster aus Aufnahmen von der Altarwand in unserer Kirche gewonnen waren. Aber hier pulsierten diese Muster zum Rhythmus der Musik. Die Sonne ging unter (in Form einer astronomischen Aufnahme der Sonne, die sich langsam über die Fassade nach unten bewegte und schließlich im Rosenbeet verschwand), der Mond ging auf (der in umgekehrter Richtung in das große Mittelfenster auf der Vorderseite unserer Kirche tauchte). Und auch die Fenster leuchteten pulsierend in allen Farben des Regenbogens von innen, bevor die Installation wiederum in ruhigen großflächigen Farbmustern langsam ausklang und damit auch der Abend des ersten Festtags.

Sonntag, 19. Juni

Der Sonntag begann dann mit einem wunderbaren Festgottesdienst, musikalisch mitgestaltet vom Posaunenchor und unserem Kirchenchor, der in diesem Jahr gleichfalls 100 Jahre alt wird (Das Jubiläum des Kirchenchors gestalten wir als Festkonzert am 22. Oktober).

Die Festpredigt hielt unser Landesbischof Dr Jochen Cornelius-Bundschuh. Er nahm die architektonische Besonderheit unserer Kirche auf, deren Bankreihen halbkreisförmig ausgerichtet sind auf die Mitte des Altarraums, auf das Wort Gottes (die Kanzel) und das Abendmahl (den Altar) - also übertragen „die Mitte“ unseres Glaubens. Doch diese Mitte, auf die wir uns konzentrieren als Christen, das Wort, die Liebe Gottes, will von dort aus ausstrahlen in alle Welt, will die Menschen berühren, so wie Jesus die Liebe Gottes weitergab, indem er sich denen zuwandte, die in der damaligen Gesellschaft am Rand standen, und er so alle Abgrenzungen, die Menschen errichten, um der Liebe willen durchbrach und durchbricht. So gehört unser Miteinander als Christen um die Mitte des Wortes Gottes ganz eng zusammen mit einer einladenden Offenheit, die alle Menschen egal welcher Herkunft einschließt.

Anschließend waren die Besucher/innen des Festgottesdienstes zu einem Sektempfang vor der Kirche eingeladen, bei der die Gäste miteinander und mit den Gemeindegliedern ins Gespräch kommen konnten - unter den Gästen weitere Mitgestaltende am Gottesdienst wie der katholische Pfarrer Arul Lourdu, ehemalige Pfarrer bzw deren Angehörige, wie die Kinder des Pfarrer Willi Moser oder das Ehepaar Carstensen sowie natürlich Pfr.i.R. Keller mit Frau, amtierende und ehemalige Organisten wie Rudi Sailer oder dem Bundestagsabgeordneten der SPD, Herrn Professor Castelucci, der in früheren Zeiten ebenfalls schon unsere Orgel im Gottesdienst gespielt hat, Vertreter der Stadt wie u.a. der neue Oberbürgermeister Hans Reinwald, der gerade einmal eine Woche im Amt war - aber das ist nur ein Ausschnitt aus der Gästeliste.

An den liebevoll geschmückten Tischen (mit Blumenväschen in Mehltüten einer Firma, die im vergangenen Jahr ihr einhundertjähriges Jubiläum mit besonders an diese Zeit erinnernden Aufdrucken versehen hatte) wurde schon bald das Mittagessen genossen, während die Kinder noch einmal das Karussell vom Vortag nutzen und sich bei weiteren Spielen im Kinderzelt vergnügen konnten.

Neue Programmpunkte rundeten diesen Nachmittag ab. In der Kirche gab es zwei Führungen mit der Kunsthistorikerin Heidrun Bethe. Sie konnte den interessierten Besucherinnen unserer Kirche noch einmal ganz neue Aspekte, die in der Festschrift zum Teil nur gestreift wurden, noch einmal intensiv nahe bringen und stand für Detailfragen zur Verfügung.



Der Gospelchor „Bright Light“ aus Leimen bot ein mitreißendes Gesangsprogramm zwischen den beiden Führungen. Ob es nun das eher ruhige „Freedom“ war, ein in einer afrikanischen Sprache vorgetragenes Lied oder ein eher rhythmisch betontes, überaus lebendiges Stück wie „The Rock of Ages“ - alles das war großartig vorgetragen. Insbesondere konnte man die Qualität des Chors bei dem Stück „The Rhythm of Life“ aus dem Musical „Sweet Charity“ von Cy Coleman aus dem Jahr 1966 spüren. Vielschichtig die verschiedenen Stimmen in unterschiedlichen Tempi übereinander gelagert, vorwärts drängend und doch in Harmonie und Rhythmus eins. I've got goosebumps !

Um 17 Uhr schlossen die Stände auf unserem Festgelände. Doch der Nachmittag war damit noch nicht zu Ende. Ein Konzert für Orgel und Gesang erwartete die Besucher/innen in der Dreifaltigkeitskirche. Der uns schon durch regelmäßige Begleitung unserer Gottesdienste vertraute Organist Willem Balk bot zusammen mit seiner Lebensgefährtin Eva Landmesser, einer begnadeten Sopranistin, ein Konzert mit Schwerpunkt auf romantischen und modernen Kompositionen, darunter eine Orgelmeditation des französischen Komponisten Jean Langlais über die „Heilige Dreifaltigkeit“.

Mit diesem Konzert schloss unser Festwochenende zum Jubiläum unserer Dreifaltigkeitskirche.

Bericht: Jörg Geißler
Photos:
(1) + (2) Manuel Schramm
(3), (4), (8), (13), (14) + (15) Geißler
(5) Markus von Gersau
(6), (7) + (11) Norbert Schätzlein
(9), (10) + (12) Rainer Zinser

 

 
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