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Erinnerung an einen Lehrer - Philipp Melanchthon aus Bretten

Am 22. Juni war Pfr.i.R. Martin Schneider, vormals Dekan in Bretten, bei uns zu Gast. Sein Vortrag im Rahmen unserer Veranstaltungen anlässlich des Reformationsjubiläums stand unter dem Thema „Erinnerung an einen Lehrer - Philipp Melanchthon aus Bretten“.

Wer kennt sie nicht - die Lutherrose, das Symbol Martin Luthers: Weiße Rose auf blauem Grund von goldenem Band begrenzt, im Zentrum der Rose ein Herz mit einem schwarzen Kreuz. Doch wer kennt schon das Symbol Melanchthons?

Es handelt sich um ein Kreuz mit einer Schlange und erinnert damit zum einen an die Szene aus dem vierten Buch Mose 21,4-9, wo der Anblick der an einem Pfahl aufgehängten ehernen Schlange das Volk Israel vor dem Tod durch Giftschlangen schützt. Aufgenommen ist diese Geschichte durch Jesus Christus in seinem Gespräch mit Nikodemus (Joh 3, 14f): "Wie Mose in der Wüste die Schlange erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, damit alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben.”

Somit ist das Symbol, das Melanchthon ab 1519 für sich gebrauchte, eine Erinnerung an Jesus am Kreuz. Zugleich galt die Schlange in der griechischen Antike genauso wie in Vorderasien als Symbol der Weisheit. Dies wird dem Humanisten Melanchthon nicht verborgen gewesen sein, zumal er großen Wert auf den Zusammenklang von Glauben und Wissen legte.

So lautet einer der Leitsprüche Melanchthons: „Auf zwei Dinge ist - wie auf ein Ziel - das ganze Leben auszurichten: Auf Frömmigkeit & Bildung!“ Nach Melanchthon bewahrt die Frömmigkeit den Gebildeten vor Hochmut und Maßlosigkeit, aber auch die Frömmigkeit dürfe sich nicht von der Bildung trennen lassen, denn Frömmigkeit ohne Bildung, ohne Erkenntnis über die Zusammenhänge, führe ebenso in die Irre und in die Überheblichkeit. Die Kirche kann nicht davon abweichen, dass beides zusammengehört. Mit dem Buchstaben der Schrift allein kann man den Glauben und die Kirche nicht begründen.

Für Melanchthon war Luther zunächst sein Lehrer, ein Vaterersatz und später ein väterlicher Freund. Im Fortgang der Reformation wurde Melanchthon jedoch ein unentbehrlicher Mitarbeiter Luthers. Ohne Melanchthon wäre Luthers Bibelübersetzung nicht möglich gewesen.
Luther schrieb später einmal: „Melanchthon nötigte mich, das Neue Testament zu übersetzen.“ Doch ohne die Hilfe des mit dem Griechischen (und Hebräischen) vertrauten Melanchthon wäre Luther nicht vorangekommen. Umgekehrt meinte Melanchthon, nur Luther könne am besten die Sprache des Volkes sprechen, so dass diese wirklich verstehen, worum es in der Bibel geht. So ist die so genannte Luther-Bibel das kongeniale Werk von Luther und Melanchthon.

Über die Bibelübersetzung stellte Melanchthon seine didaktischen Fähigkeiten als Lehrer und die große Breite seines Wissens (Philosophie, Ethik, Geographie, Geschichte ...) ganz in den Dienst der Reformation. Keiner konnte wie er die Gegenstände der Wissenschaft und des Alltags systematisch erfassen und darstellen.

Aus der Fülle seiner Veröffentlichungen stechen besonders die Loci Communes (die erste evangelische Dogmatik) und das Augsburger Bekenntnis hervor. Jedoch veröffentlichte er nichts davon, ohne es vorher Luther vorzulegen und von ihm „korrigieren“ zu lassen. Dasselbe gilt auch für den „Unterricht der Visitatoren“, ein Werk, das der Visitation der Gemeinden und deren Überprüfung diente, ob sie auch wirklich den protestantischen Glauben weitergaben. Melanchthon verfasste auch einen eigenen Katechismus, der sich jedoch gegenüber Luthers beiden Katechismen nicht durchsetzen konnte.

Luther bewunderte Melanchthon für seine didaktischen Fähigkeiten. Sich selbst sah Luther in der Tradition der Propheten (wie Elia), während er Melanchthon als den zentralen Vermittler seiner Worte und Nachfolger ansah („Das wäre mein Elisa!“).

In dieser Verhältnisbestimmung waren aber auch Konflikte zwischen beiden angelegt: Melanchthon suchte viel eher den Kompromiss und den Ausgleich mit anderen reformatorischen Strömungen der Zeit, er sprach sich unter anderem gegen die Lehrverurteilung der Calvinisten durch Luther und andere aus. Auch das Augsburger Bekenntnis war in erster Linie ein Versuch, sich mit den Papsttreuen auf gemeinsame Glaubensinhalte zu verständigen, bevor die Glaubensunterschiede im zweiten Teil aufgezeigt wurden. Wiederholt beklagte er Luthers Maßlosigkeit, seine Rechthaberei und die Unfähigkeit, sich zurückzunehmen.

Jedoch - so Pfr. i.R. Martin Schneider abschließend: Bei allen Spannungen, die es zwischen Melanchthon und Luther gab, überwog zeitlebens das gegenseitige Vertrauen. Erst durch die Ergänzung der so unterschiedlichen Persönlichkeiten - wie auch der Arbeit vieler oft vergessener Reformatoren im Schatten Luthers - war der Erfolg der Reformation möglich.

J.G.


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