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EVANG. KIRCHENGEMEINDE ST. ILGEN


Startseite Hintergrund Glaubenssache 3 - Bekenntnis  · 

Was bedeutet Ihnen denn Ihr Glaube?

Oder vielleicht noch etwas anders gefragt: Was glauben Sie denn?

In einer Zeit, in der viele in Deutschland an Engel glauben, an ihr Bankkonto oder sonst etwas, aber nicht mehr an Gott, ist das eine interessante Frage. So unter uns Christen.
Manche beantworten die Frage mit Blick auf das Apostolische Glaubensbekenntnis, das wir in fast jedem Gottesdienst gemeinsam sprechen. Doch: Was verbinden Sie persönlich eigentlich mit dem apostolischen Glaubensbekenntnis? Sagt Ihnen der Text noch irgendetwas? Welche Sätze haben noch Relevanz für Ihr Leben im Alltag?

Vielleicht müssen wir uns zunächst klarmachen, was das eigentlich ist, ein Glaubensbekenntnis.

Das uns hier im Westen bekannteste Glaubensbekenntnis, das so genannte Apostolische, ist ein Text, auf den sich Theologen – nicht zuletzt auf den Druck von Kaiser Konstantin – auf den Synoden von Konstantinopel und Nicäa Anfang des 4. Jahrhunderts geeinigt haben. Ziel war es, zentrale Glaubensinhalte festzuhalten, die für alle Christen verbindliche Grundlage ihres Glaubens sein sollten – und damit auch verbindende Grundlage. Denn eine der Absichten, die Konstantin damit auch verband, war eine Befriedung seines Reiches – ein überdehntes Reich, ein Vielvölkerstaat mit den unterschiedlichsten Kulturen. Da sollten nun nicht auch Auseinandersetzungen zwischen Christen den „Frieden“ im Reich stören.

Es ging also auch darum, Einheit zu schaffen – auch um den Preis der Ausgrenzung nicht unbedeutender Teile der Christenheit im Orient, etwa monarchianischer Strömungen (die eine Abstufung zwischen Vater, Sohn und Heiligem Geist vornahmen statt einer trinitarischen Gleichordnung – übrigens ein Gedanke, der dann im Islam wieder aufgegriffen wird, für den eine Gleichordnung zwischen Gott und Mensch schlicht unmöglich ist).

Vereinheitlichung und Abgrenzung – das sind die beiden entscheidenden Faktoren bei der Abfassung eines Glaubensbekenntnisses. Es antwortet immer auch auf Herausforderungen, die die jeweilige Zeit bereithält. Es ist damit zeitbedingt, müsste also von Zeit zu Zeit überarbeitet werden, damit die jeweilige Generation noch versteht, worum es geht. Das tun sie auch – dazu weiter unten.

Warum wir dennoch in der Christenheit an einem überkommenen Text festhalten wie an dem altehrwürdigen Apostolischen Glaubensbekenntnis hat vor allem den Grund, dass wir damit in einer Traditionsreihe stehen mit den Christen seit jener Zeit und zugleich in einem weltweiten globalen Zusammenhang heute, in dem Christen aller Weltregionen sich in diesem Text wiederfinden. Darin enthalten Grundsätze, die auch für uns heute noch relevant für unseren gemeinsamen Glauben sind.

Aber – und das ist mir wichtig: Ohne eine Erklärung, was dies für die Gegenwart bedeutet, in der wir als Christen unseren Glauben leben (tun wir das?), ist das Apostolicum leeres Gestammel, wertlos, ja recht eigentlich wirkungslos, ohne Relevanz für die, die sich Christen nennen wie für die, die dem Christentum abwartend bis gegnerisch entgegenstehen.

Folglich muss der Text des Apostolicums immer wieder in die jeweilige Gegenwart übersetzt werden. Manchmal muss das Bekenntnis zu dem liebenden Gott Jesu‘ auch ganz neu formuliert werden. So geschehen in einem relevanten Sinn zum Beispiel während der Nazidiktatur in Deutschland. Die Deutschen Christen, die Jesus zum Prototyp des Ariers machten, zum ersten Antisemiten, wollten das Führerprinzip aus der Politik in die christlichen Kirchen einführen. Dagegen wurde die so genannte Barmer Theologische Erklärung formuliert, die auf der Basis des Apostolicums die Abgrenzung zu den Deutschen Christen formulierte (diesen Text finden Sie z.B. in unserem Gesangbuch). Dafür ist die Bekennende Kirche (bei aller notwendigen Kritik an der Bekennenden Kirche, an ihrer Motivation, an ihrer Tatkraft …) zu würdigen.

Auch heute sind solche Abgrenzungen notwendig, z.B. gegen die Vereinnahmung des christlichen Glaubens durch Pegida und AfD. Aber auch in allgemeiner Hinsicht ist eine Reformulierung des Glaubensbekenntnisses in der Sprache unserer Zeit notwendig. Denn nur, wenn ich verstanden habe, was mein Glaube bedeutet im Blick auf diese Wirklichkeit, kann er auch umgesetzt werden in meinen Entscheidungen im Alltag. Immer wieder haben Geistliche (und Literaten) das versucht. Ich denke z.B. an Walter Jens, Helmut Gollwitzer, Jörg Zink …

Was mir beim Apostolicum auffällt: Dass hier vor allem abstrakte theologische Begriffe verwendet werden. Mir fehlt z.B. das Ganze des konkreten Lebens von Jesus Christus, der im christlichen Glauben ja den Zentralteil des Bekenntnisses ausmacht:

Gott der Vater wird im Wesentlichen auf den Schöpfungsakt reduziert. An der Stelle, an der uns Jesus als Gott der Sohn im zentralen Teil unseres Glaubensbekenntnisses vorgestellt wird, gibt es nichts Konkretes, kein Bezug auf dieses Leben, das uns doch Vorbild sein soll. Und der Heilige Geist, der den Abschluss des Ganzen ist, aus dem heraus die Kraft kommen soll, dieses Leben auch umzusetzen – auch hier nur abstrakte theologische Begriffe wie „Kirche“, „Gemeinschaft“, „Heilige“, „Vergebung“ und „Sünde“, „Auferstehung der Toten“, „Ewiges Leben“. – Nichts davon wird hier definiert, geklärt.

Jeder von uns muss das aber für sich klären, wenn es denn wirklich - also im eigentlichen Sinne wirksam in unserem Leben werden soll. Und das ist doch der Anspruch von und an uns Christen, oder?

Für meinen Teil habe ich das versucht, immer wieder mal neu. Ein Beispiel dafür, wie mein aktueller Stand in Sachen Bekenntnis aussieht, finden Sie im Anschluss an diese Hinführung. Ein Versuch, mehr nicht. Damit ist auch klar, dass vielleicht noch nicht alles so konkret wie erhofft ist, weiterer Klärung bedarf.

Vielleicht haben Sie ja auch mal Lust, diese Anregung aufzugreifen: Sich selbst einmal Klarheit zu verschaffen darüber, was Ihnen Ihr Glaube eigentlich bedeutet, welche Inhalte Ihren Glauben tragen. Vielleicht möchten Sie das auch einmal formulieren?! Ich wäre jedenfalls gespannt auf Ihren Versuch!

Jörg Geißler, Pfr

Woran ich glaube

Ich glaube an einen menschenfreundlichen Gott.

Das Bild vom Richtergott (oder gar erst von einem Rächergott) ist mir fremd. Wenn ich auch weiß, worum es dabei geht, nämlich um Gerechtigkeit. Gerechtigkeit, die sich auch jenseits menschlicher Möglichkeiten vollzieht. Vor allem aber glaube ich nicht an einen Erbsenzählergott, der darüber wacht, dass wir ja keine Fehler machen, weil er die dann entweder schon hier oder dann im Gericht strafen wird – die einen in die Hölle verbannt und die anderen in den Himmel.

Natürlich ist auch das schon menschliche Beimischung, ein Verstoß gegen das zweite Gebot, sich kein Bild von Gott zu machen, da alle unsere Bilder und Vorstellungen von Gott vorläufig sind und sein Gottsein nicht erreichen sondern einschränken.

Dennoch wage ich es, vielmehr an einen Gott zu glauben, der barmherzig ist. Der seinen Kindern nahe ist, an jedem Tag und in ihren tiefsten Nächten. Der uns beisteht in dem Leid, das jeden und jede von uns unterschiedslos trifft im Leben, der uns darin tröstet und Halt gibt. Der uns Kraft und Mut gibt für unsere Aufgabe, für Recht und Gerechtigkeit einzutreten in unserer Gesellschaft und den an den Rand Gedrängten beizustehen.

Derjenige, der uns diese Haltung unverfälscht vorgelebt hat, von keinem Menschen übertroffen vorher und auch nicht nachher, und deshalb das Gesicht der Liebe Gottes für uns ist, das ist Jesus aus Nazareth. Er war ganz eins mit dem Willen seines, unseres Vaters im Himmel. Daher nennen wir ihn Gottes Sohn, sein Abbild für uns. Darum ist er für uns Christen der Messias, der Christus Jesus. Das Ziel Gottes für uns.

Ziel nicht nur in dem Sinn, dass wir nach unserem Tod seine Nähe erwarten. Sondern Ziel schon im Hier und Jetzt. Eine Orientierung für unser Leben. Als Getaufte stehen wir auf diesem Weg zu diesem Ziel. Wie er sollen wir eintreten dafür, dass diese Welt nicht an ihrem eigenen Egoismus und Gewinnstreben zugrunde geht. An der Seite derer, die Unrecht erfahren, denen ihre Menschenrechte verweigert werden, oder an der Seite von Menschen, die sich für den Fortbestand unserer Schöpfung einsetzen – zum Beispiel auch an der Seite der Schüler/innen an ihren „Friday(s) for Future“.

Ich weiß, wir versagen darin täglich, kläglich. Darum brauchen wir die Barmherzigkeit Gottes, seine Vergebung. Doch die darf nicht zur Ausrede verkommen für unser Nichtstun.

Dazu brauchen wir den Heiligen Geist. Den Geist, der allein uns diese Haltung der Liebe zum Nächsten und zur Schöpfung Gottes ins Herz legen kann. Darum erbitten wir diesen Geist Gottes, täglich. Denn wir wissen – allein ist unser Herz zu schwach, angefochten, gefangen im Alltagstrott - unfrei gemacht durch so vieles, das uns abhält, den Auftrag Gottes, für den er uns ausersehen (=geheiligt) hat, auch auszuführen.

Weil wir uns dessen täglich bewusst sind, brauchen wir die Vergebung Gottes, seine Ermutigung, dass wir trotz allem noch für ihn brauchbar sind, dass wir nicht aus seiner Liebe fallen, sondern täglich neu an uns und seinen Zielen arbeiten können.

Die Kirche ist – so die Übersetzung des Wortes aus dem Griechischen – die Gemeinschaft derer, die zum Herrn (zu Jesus) Gehörigen, also der Menschen, die seinem Vorbild folgen, von Gott herausgerufen aus der Welt, wie sie ist.
Wir brauchen eine solche Gemeinschaft, denn allein sind wir dazu zu schwach. Diese Gemeinschaft arbeitet an der Veränderung der Welt im Sinn Gottes. An der Veränderung der Welt im Kleinen – in ihrer konkrete Nachbarschaft, indem sie sich um die an den Rand Gedrängten kümmert und Menschen in ihrer Not nicht allein lässt. Und so auch – zunächst in kleinen Schritten und dann auch darüber hinaus – an der Veränderung der Welt im Großen. Wenn sie auf diesem Weg stehen bleibt, hört sie eigentlich auf, Kirche zu sein.

Auf ihrem Weg arbeitet sie zusammen mit allen Menschen „guten Willens“, also zusammen mit Menschen, die zwar unseren christlichen Glauben nicht teilen, aber dieselben Ziele im Blick auf die Veränderung der Welt wie wir als Christen im Gehorsam dem Willen Gottes gegenüber.

Dieser Weg wird uns nicht nur von uns selbst schwer gemacht, sondern auch von anderen. Darum fordert dieser Weg auch Opfer. Die einen werden belächelt und verspottet, die anderen landen in Gefängnissen oder werden gekreuzigt. Doch wer gefestigt ist in seiner durch Jesus geprägten Haltung, dem wird selbst der Tod nichts anhaben können, denn er ist gewiss, dass wir auch im Tod nicht tiefer fallen können als nur in Gottes Hand, die uns ewig bergend hält.

Darum feiern wir unsere Auferstehung nicht erst am Jüngsten Tag, sondern können es im Vertrauen auf Gottes Nähe wagen, jeden einzelnen Morgen neu in das Leben aufzuerstehen, Jesus in uns selbst auferstehen zu lassen für die Menschen um uns herum und für eine menschenwürdige und nachhaltige Lebensweise auf unserem Mutterplaneten Erde unter den Augen unseres gütigen Vaters im Himmel.

Daran glaube ich!


Jörg Geißler, 07.11.2019


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