Diljemer Fermate am 08. Mai 2016

DICHTERLIEBE

Wer sich ein wenig mit “klassischer” E-Musik auskennt, dem war schon bei diesem Titel klar, was ihn erwartet: Ein romantischer Liederabend. Dies zog sich durch, auch bei den moderneren Stücken aus Musicals und Filmen, die an diesem Abend von der Familie Grave - dem Tenor Jon Grave und seinem Vater Michael Grave am Klavier - dargeboten wurden.

Eine doppelte Premiere war dieses Konzert in unserer Reihe der Diljemer Fermaten:
Zum einen eine Premiere für unsere Gemeinde. Zwar sind wir es schon gewohnt, dass in der Reihe der Konzerte, die meist von Musikern aus St Ilgen oder aus der direkten Umgebung gestaltet werden, eines im Jahr aus dem Rahmen fällt - also mit Musikern aus der weiteren Umgebung besetzt ist. Aber noch nie hatten wir Musiker aus dem europäischen Ausland. Diese beiden aber kamen aus England. Michael Grave als Organist aus Newcastle upon Tyne, der dort nicht nur nebenamtlich seit Jahrzehnten Gemeindegottesdienste begleitet, sondern Organisten aus der gesamten Umgebung zu großen Orgelfestivals zusammenholt.
Seinen Sohn Jon Grave begleitete er zwar schon immer bei Auftritten in Großbritannien, aber noch nie auf dem “Festland”. So war dieses Konzert auch eine “Europa-Premiere” - Vater und Sohn vereint auf dem Kontinent.

Jon Grave selbst ist als Tenor außer mit zahlreichen Konzerten in Großbritannien immer wieder auf dem Kontinent unterwegs, v.a. in den Sommermonaten, wenn der Universitätsbetrieb in Chichester ruht, wo er als Dozent für Gesang arbeitet. So war er in den vergangenen Jahren in Frankreich, in der Slowakei, in Italien (wo er auch diesen Sommer wieder gastiert) und in Deutschland nach 2014 in Nürnberg nun auch 2016 in St. Ilgen.

Es war ein wunderbares Konzert. Zunächst brachten uns die beiden die besagte “Dichterliebe” von Robert Schumann nach den Gedichten von Heinrich Heine zu Gehör - Romantik pur. Und das bedeutet eben in der Zeit, in der in der Romantik Liebeslieder ihre Hochkonjunktur hatten im Rückgriff auf die Minnelieder des Mittelalters immer auch eine Mischung aus freudiger Emotion und tiefem Schmerz. Denn der überwiegende Teil der romantischen Liebesgedichte - und so eben die in der Dichterliebe vertonten - schildern die unerfüllte Liebe, die Sehnsucht gar nach der unerfüllbaren Liebe.
Es war schon beeindruckend, wie Jon Grave diese unerfüllbare Sehnsucht mit seiner Stimme spiegelte, und absolut bewundernswert, wie er - nahezu akzentfrei - die Lieder auswendig vortrug. Ein langer Applaus nach diesem ersten Teil des Liederabends war ihm gewiss.

Gerahmt war dieser Teil durch Pfarrer Geißler mit Informationen und Gedanken zum Komponisten Robert Schumann sowie dem Dichter Heinrich Heine, von dem auch weitere Gedichte zu Gehör gebracht wurden.

Die beiden weiteren Teile des Konzerts bildeten weitere Spielarten der romantischen Liebe ab, die dann stärker als die “Dichterliebe” die - zumindest zum Teil - erfüllte Sehnsucht nach Liebe zum Inhalt hatten. Vor allem in den drei Stücken aus den Musicals South Pacific, The Student Prince und My Fair Lady ging es um die Kraft der Liebe, die gesellschaftliche Schranken und solche der Herkunft überwinden kann und zur Erfüllung kommt. Auf diese Kraft der Liebe, die Hindernisse, die ihr mitunter entgegenstehen, überwinden hilft, wurden die Konzertbesucher/innen zuvor durch ein Gedicht von Erich Fried mit dem Titel “Was es ist” eingestimmt.

Am Ende der Veranstaltung erreichte der lang anhaltende Applaus der etwa 100 Zuhörerinnen und Zuhörer, dass Jon und Michael Grave erst nach einer weiteren Zugabe das Konzert beenden konnten und zu einem Sektempfang überleiteten, bei dem die Anwesenden mit den Künstlern ins Gespräch kommen konnten. Eine Reihe von Konzertgästen stand Schlange, um ihren Dank für das tolle Konzert und ihre guten Wünsche für die beiden in das bereitgestellte Gästebuch einzutragen.

Ein rundum gelungener Liederabend, dem - durch die Jubiläumsfestlichkeiten bedingt - dann erst im Herbst weitere Diljemer Fermaten folgen werden.

J. Geißler

 

 
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