Geistliches Wort Mitte 2008

Man macht sich ja so seine Gedanken...,
oder besser: ich mache mir dieser Tage so meine Gedanken.

Im Banne der Fußball-EM und den Hoffnungen, dass unsere Mannschaft ..., stehe ich noch unter dem Eindruck der schlimmen Katastrophen in MYANMAR (Zyklon „Nargis“), bei der annähernd 90.000 Menschen starben und noch mehr als ihr Hab’ und Gut verloren haben und dann unter dem Eindruck des Erdbebens in CHINA mit ebenfalls unzähligen Opfern (genau in der Gegend, wo ich selber vor einem Jahr noch war); erinnere ich mich an die Menschen in den ärmsten Ländern der Welt, die ich in diesem Jahr besuchte: in Nepal, in Äthiopien, in Namibia.

Dagegen höre ich das tägliche Jammern in unserem Land und spüre die Angst, ein wenig von unserem Wohlstand zu verlieren (Öl immer teurer, Milchprodukte teurer usw.) und lese, dass wir immer noch für 300 € so gerade mal zum Shopping nach New York fliegen können oder für 35 € nach Mallorca . Ich höre (da ich diese Zeilen schreibe) die Klagen, dass die Iren dem Vertrag von Lissabon (mehr Einheit für Europa) nicht zugestimmt haben und höre ebenso, wie man in der EU über die erforderliche Krümmung von Gurken und Bananen, über das Verbot des Namens „Apfelwein“ (Wein darf nur aus vergorenen TRAUBEN hergestellt werden!) und die Menge des Toilettenpapiers, das mit einer Spülung in die Kanalisation zu befördern ist (18 Blatt!) diskutiert.

Ich höre das alles – und bin ratlos!

Was für Sorgen quälen uns eigentlich – wo andere nicht mehr das Mindeste zum Leben haben? Was wollen wir eigentlich, wo andere auf der Welt verhungern? Was ist das für ein Europa? Wo ist unsere soziale Einheit, wo sind unsere christlichen Wurzeln und wann besinnen wir uns wieder auf sie? Welches Beispiel geben wir - als eines der reichsten Länder dieser Erde den anderen?

Ich erinnere mich an unsere beiden letzten Gemeindereisen: die erste nach Äthiopien – eines der 10 ärmsten Länder der Erde: Armut überall, Leben am Rande der Existenz – und dennoch positives Denken, harte Arbeit, aber kein Jammern und keine Resignation!
Oder ich denke an unsere Reise nach Namibia: auch dort haben Menschen gerade das Nötigste zum Leben (was wir an einem Abend im Restaurant ausgaben, muss dort für eine Familie einen ganzen Monat zum Leben reichen!).
Mit großen Respekt, mit großer Freude und Dankbarkeit denke ich an den Gottesdienst, den wir in Okashati im Ovambo-Land mit ca. 500–600 schwarzen Christen feiern durften; denke an die Herzlichkeit, mit der wir empfangen wurden und an den bewegenden Gottesdienst, in dem zu spüren war: wir gehören zusammen, auch wenn uns riesige Entfernungen trennen, wir von der Sprache her einander nicht verstehen – aber dennoch spüren, das uns Gottes Geist eint!

Was für ein Geist bewegt uns? Ich wünsche mir, dass es Gottes guter Geist sei oder werde, der uns dazu bewegt, dass wir endlich begreifen, dass wir weltweit ohne die anderen nicht leben können. Dass sie uns brauchen und wir sie – solidarisch und geschwisterlich. Ich weiß, dass im Moment meine Gedanken etwas durcheinander gehen, hoffe aber, Sie dennoch ein wenig zum Nachdenken bewegen zu können.

Ich wünsche Ihnen allen einen schönen Sommer, Zeit zur Erholung und würde mich auf ein Wiedersehen freuen.
Ihr Pfarrer
Wolfgang Keller

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